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Thomas Bernhard: "Jeden Tag möcht ich irgend jemanden umbringen"
Auf der Bank im Vierkanthof von Thomas Bernhard interviewt Krista Fleischmann den Bauer zu Nathal. Aufzeichnung aus der Sendung "Welt des Buches" vom 9.11.1979
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Video Transcript
Die Seilschaltner. Ja, sehr gut.
Na los!
Sie wollten doch was sagen.
Nein, gar nicht. Das war die Fortsetzung von Ihrer Frage.
Wollen Sie manchmal auch Menschen umbringen?
Nein, jeden Tag irgendjemanden.
Beim geringsten Widerstand möchte ich den eigentlich gleich umbringen, dass er weg ist.
Und wieso passiert es dann eigentlich nicht?
Weil ich immer an die Auswirkung stehe, entweder in Ihrem Haus oder im Strafveranstalt.
Das ist immer noch 15 Jahre, wenn man mich umbringt.
das steht ja nicht dafür. Wenn ich die Kreißler nicht umbringe, nicht?
Das ist eine Sache von vielleicht sechs, sieben Sekunden, wenn ich kräftig bin.
Und dann sind 15 Jahre Garsten oder Suben, nicht? Ich weiß es nicht.
Ist das Schreiben etwas, was Sie davon befreit, sozusagen eine Ersatzhandlung?
Von Mord? Das kann schon sein. Obwohl ich noch nie jemanden umgebracht habe in Büchern.
Aber indirekt kann das sein, dass das da hineinfließt. Eine Morddiente möglicherweise.
Wo machen Sie Ihre Beobachtungen?
Immer dort, wo ich gerade gehe.
Zum Beispiel?
Jetzt mache ich die Beobachtung, dass sie mir gegenüber sitzen.
Was fällt Ihnen da auf?
Dass sie lächeln und dass es mir nicht unangenehm ist.
Bis zu einem gewissen Grad. Das weiß ich natürlich nicht, wie lange das andauert.
Das weiß man nicht.
Wie begegnen Sie Menschen, die Ihnen unsympathisch sind?
Möglichst gar nicht. Wenn ich von vornherein weiß, dass sie mir unsympathisch sind.
Wenn ich das aber zuerst nicht weiß und sie werden mir erst im Laufe der Unterhaltung unsympathisch,
werde ich mich davon entfernen.
Denn wer lebt schon gern mit was Unsympathischem zusammen oder ist damit konfrontiert?
Oder ich habe eine masochistische Phase, dann ziehen mich absolut unsympathische, scheißliche
Leute an, da suche ich sie.
Also ich denke in der Früh schon beim Aufwachen dran, also wen könnte ich heute aufsuchen,
wer ist besonders unsympathisch?
Und dem hänge ich mich dann an den Hals.
Hat Ihnen Ihre Zeit als Gerichtssaal-Reporter genützt?
Ja, die war sehr wichtig.
Inwiefern?
Man lernt also, wie soll ich das sagen, in kurzer Zeit möglichst tief in menschliche Schicksale eindringen.
Nicht so kitschig, dass es jetzt klingt, so wertvoll war es für mich. So einfach.
Ich habe sehr viel gesehen und eine lange Zeit nicht geschrieben. Das ist dann später herausgekommen.
Aber dort musste ich also in kurzer Zeit auch sehr viel schreiben. Viel schreiben habe ich dort gern.
Finden Sie manchmal in den Zeitungen Informationen, die Sie dann in Ihren Büchern verwerten?
Na sicher, es ist eben Grund in den Zeitungen überhaupt alles zu finden, was es gibt.
Das heißt, noch mehr als eigentlich existiert, ist in den Zeitungen.
Mehr kann man nicht finden.
Also die Realität ist in den Zeitungen noch übersteigert, und die Leerstellen der Wirklichkeit sind in der Zeitung noch ausgestopft.
Im Übermaß.
Die eigentliche Natur und Welt ist in den Zeitungen.
Und je Boulevardesker Zeitungen sind, also je primitiver, desto mehr ist eigentlich drin.
Desto mehr kann man sie verwenden als Material?